Dienstag, 24. Mai 2011

Helmholtz: Präzision durch Fehleranalyse und Berechnung des Unbekannten (Part 1)

Die durchwachsenen Reaktionen auf seine ersten Berichte über die Versuche zur Messung der Nervenleitgeschwindigkeit brachten Helmholtz dazu, nicht nur die Überzeugungskraft seiner Berichte sondern auch die seiner Versuche zu überdenken. Er entschied sich für zwei Strategien: die erste fokussierte auf Präzisionsmessungen und die zweite bediente sich der anschaulicheren graphischen Methode. Die erste Strategie der präzisen Messungen ist eng verknüpft mit einer gründlichen Fehleranalyse. Doch was verstand Helmholtz unter dem Begriff der Präzision? Präzision war für ihn zumindest nicht gleichzusetzen mit der Anzahl der Dezimalstellen die er in der Lage war zu messen [Vgl. hierzu und im Folgenden Olesko/Holmes: 1993, S. 95ff.]. Wie ich gerade in Wikipedia sehe, könnte oder muss ich womöglich an dieser Stelle die Begriffe Präzision und Genauigkeit genauer unterscheiden, und zwar in der Weise, wie Helmholtz sie verstanden und gebraucht hat und zum anderen auch wie sie heute angewendet und unterschieden werden. In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts konzentrierte man sich bei präzisen Messungen eher auf Techniken, die die Gültigkeit der Daten eingrenzten und die Richtigkeit der Erkenntnisse, die sie lieferten, bestätigten. Helmholtz legte zunächst großen Wert darauf, mögliche externe Störfaktoren und Fehlerquellen zu beseitigen oder zumindest soweit zu minimieren, dass sie das Messergebnis nicht beeinflussten und er sicherstellen konnte, dass die Messergebnisse tatsächlich den zu messenden Ablauf repräsentierten, also den zeitlichen Verlauf der Zuckung des Muskels, und nicht anderweitige Faktoren das Ergebnis verfälschten. Zu solchen Störquellen gehörten Luftströme, Kälte, mechanische Fehler und bestimmte Muskeleffekte. Helmholtz teilte die Fehlerquellen in zwei Klassen: die erste umfasst Fehler, die die Messung der Zeit zwischen Reizung und Öffnung des Stromkreises betreffen, und die zweite Fehler, die verhindern, dass die Trennung der Unterbrechungsstelle im genau erforderten Moment geschieht. Unter den Einflüssen der ersten Klasse, zu denen Helmholtz Störungen der „Bewegung des Magnetes durch Luftströme, Fehler der Ablesung, Dauer des Inductionsstroms, Änderungen in der electromotorischen Kraft und dem Widerstande der Daniellschen Elemente“ zählte, identifizierte Helmholtz nur einen, der das Resultat signifikant verändern konnte, und dieser betraf die „nicht immer vollkommene Schließung des Stroms an der Unterbrechungsstelle.“ In diesen Fällen schlägt die Magnetnadel des Galvanometers kaum aus, weil sich zum Beispiel ein „unsichtbares Stäubchen zwischen Goldkuppe und Goldplatte“ befindet. Dieses verhältnismäßig kleine Problem ist mit einem säuberndem Pinselstrich schnell behoben. Ein anderer Grund für die schlechte Schließung des Kontakts an der Unterbrechungsstelle ist der mangelnde Druck, der an der Stelle ausgeübt wird. Dieses Problem tritt vor allem bei den Versuchen auf, wo der Muskel nicht mit einem Gewicht belastet ist. Leider kann ich Helmholtz' Erklärung hier nicht ganz folgen, eventuell liegt es daran, dass mir die Bedeutung des Stromwiderstands in der elektrischen Leitung nicht ganz klar ist. Ich verstehe es so, dass das Übergewicht dafür sorgt, dass die Unterbrecherstelle ordentlich, Helmholtz sagt „innig“, schließt. Bei dieser innigen Schließung scheint jedoch der Widerstand im Bereich des Kontakts kleiner als im restlichen Stromkeis zu sein, weshalb Helmholtz versucht, diesen Widerstand zu erhöhen bzw. den Strom zu schwächen – das gelingt ihm mit fehlender Überbelastung und zarte Berührung der Kontakte. Genau dieser Zustand tritt auch bei Überbelastung auf, aber eben nur in dem Moment, wo der Muskel zu Zuckung ansetzt und die Lösung der Goldspitze vom Goldplättchen (= Kontakt bzw. Unterbrechungsstelle) beginnt. Juti, äh, wat is jetzt das Problem? Er braucht die Überbelastung, damit der Kontakt schließt, aber dann ist der Widerstand zu gering. Und wenn er keine Überbelastung auflegt, ist zwar der Widerstand größer, aber der Kontakt nicht fest genug geschlossen? Geht’s hier also eher um eine feine Justierung, bei der beide Probleme – zu loser Kontakt vs. zu geringer Widerstand – möglichst gering gehalten werden? Mähh! Einmal Physik for beginners bitte! Ich poste hier mal den Text im Original:

Sehr viel wichtiger ist diese Fehlerquelle, wenn vermöge der Bedingungen dieses Versuchs der Druck an der Unterbrechungsstelle sehr gering und die Berührung der Kuppe und des Plättchens nicht innig genug ist, um nicht dem Strom einen merklichen Widerstand entgegenzusetzen. Das ist der Fall in den Versuchen, wo keine Ueberbelastung aufgelegt ist. Hier kommt es, wie in allen andern Fällen darauf an, den Muskel so einzustellen, dass sich die Metalltheile an der Unterbrechungsstelle möglichst zart berühren, und durch diese Art der Berührung muss auch der Strom hergestellt werden. Ich habe gefunden, dass der Widerstand der Unterbrechungsstelle verschwindend klein ist gegen den der ganzen Leitung, sobald eine ganz geringe Ueberbelastung z.B. 1 grm. aufliegt, und dass demgemäß die Intensität des Stromes nicht verändert wird, mag man viel oder wenig Gewichte noch dazu legen. Dagegen gelang es mir durch möglichst zarte Einstellung bei mangelnder Ueberbelastung den Strom etwa um 1/100 seiner ganzen Größe zu schwächen, weiter konnte ich die Schwächung nicht treiben, ohne ihn gleichzeitig ganz zu unterbrechen. Indessen ist die Möglichkeit nicht zu läugnen, dass der Widerstand der Unterbrechungsstelle jeden beliebigen werth errreiche, auch kommen einzelne Zuckungsversuche ohne Ueberbelastung vor, bei denen die Ausschläge nur 1/3 ider 1/2 so groß sind, als sämmtliche andere entsprechende der Reihe, was vielleicht in dem angegebenen Umstande seinen Grund findet, vielleicht auch in einem später zu erwähnenden. Eine ähnliche Schwächung des Stroms muss auch bei aufgelegter Ueberbelastung in den letzten Augenblicken eintreten, ehe das Gewicht gehoben wird, weil sich nämlich der Druck an der Unterbrechungsstelle um eben so viel schwächt, als die Kraft die Kraft des Muskels steigt, bis er endlich im Augenblicke der Trennung ganz aufhört.“ [Helmholtz (1850): Messungen, S. 310ff.]

Vielleicht liest das ja jemand, der dazu eine Idee hat!?

So, jetzt habe ich mich hier wieder so an einem Detail aufgehongen, dass ich mit dem Thema „Fehleranalyse“ imme r noch nicht durch bin. Also hier geht’s noch weiter, bald mehr.


2 Kommentare:

  1. Oje, Du beschreibst es zwar gut, aber mir scheint das auch ein kniffliger und damit nicht ganz narrensicherer Versuchsaufbau. Kannst Du morgen mal eine Skizze machen?

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